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Peter Prange zwischen Phantasie und Wirklichkeit

28 Mai

Unterwegs von der Phantasie in die Wirklichkeit, oder umgekehrt von der Wirklichkeit in die Phantasie. Himmelsdiebe ist ein Roman, der sich schon durch den kühnen Lebensentwurf des Künstlers Max Ernst selbst legitimiert. Ein Roman über einen Surrealisten, der mit seiner Geliebten Leonora Carrington nach Südfrankreich floh, um sich durch die Kraft der Imagination eine eigene Realität zu entwerfen, um sein künstlerisches Konzept zu leben und der Wirklichkeit entgegenzustellen. Eingetaucht in eine Gegenwelt der Phantasie und Kreativität machte auch Peter Prange sich auf den Weg und kreierte, angetrieben von einer verborgenen Vision, die durch den historischen Stoff von Max Ernst nur ergänzt wurde, einen Roman, der vielmehr Sinnbild als Biographie sein will, vielmehr Metapher als Spiegelbild der Wirklichkeit. Wenn Peter Prange über sein Buch spricht, spürt man, wie sehr er sich selbst darin wiederfindet, wie er sich durch das Schreiben in eine andere, eine phantastischere und kreativere Welt projiziert, in seinen Büchern Grenzen überschreitet und Visionen auslebt, wofür ihm in der Realität der Mut fehlt. So magisch und dämonisch die surrealistischen Reliefs und Skulpturen an den Wänden von Ernsts Haus in Frankreich erscheinen, so geheimnisvoll und mythisch mutet auch die Atmosphäre im Roman an. Wie Max Ernst sich ein Leben nach dem Maßstab seiner eigenen Ideen und Imagination erschuf, so zwingt auch Peter Prange in seinem Roman die Realität, sich seiner Phantasie zu beugen.

Am Freitisch mit Uwe Timm

28 Mai

Auch Uwe Timms Figuren machen sich auf den Weg. Sie sind unterwegs in die Vergangenheit auf einer gemeinsamen Reise der Erinnerung.

Gesprochen wurde gestern nicht nur über den Freitisch, sondern auch über den Auf- und Umbruch der 68er Bewegung, über soziale Ungerechtigkeit, über Politik und Timms Vergangenheit, über Errungenschaften und Empörungen und über Wünsche und Hoffnungen.

Ein bisschen kurios wirkte das Gespräch mit Uwe Timm, denn die Leichtigkeit des bekennenden Altachtundsechzigers, der vorne am Altar aus seiner geistreichen und gewitzten Novelle las – wie er selbst sagt, ein Konglomerat aus verschiedenen Dingen und Emotionen – kontrastierte mit der ernsten und erhabenen Atmosphäre der Stiftskirche.

Uwe Timm begeisterte sein Publikum und sorgte für Amüsement und einen gelungen Abschluss des ersten Bücherfest Tages.

Aufbruch mit Peter Härtling

28 Mai

Unterwegs – Aufbruch, Abreise, Abschied nehmen, Neues beginnen, Umbruch. Unter Umständen ist es eine Flucht, eine Reise mit gemischten Gefühlen, einerseits Angst und Verzweiflung, aber auch Energie, Zuversicht und Hoffnung. Das Thema des Aufbruchs begleitet Peter Härtling schon sein ganzes Leben. Mit der Flucht seiner Familie vor der Roten Armee war er gezwungen, sich schon sehr früh auf den Weg zu machen, später dann musste er von seinen Eltern Abschied nehmen, die in jungen Jahren starben. Literarische Aufbrüche, wie die von Hölderlin, interessierten ihn schon immer. Er selbst entschied sich für ein Leben immer auf dem Sprung, der Begriff der Heimat existiert für ihn nur als Andeutung, als flüchtige Erinnerung an den Blick zur Alb hin, damals als Flüchtlingskind in Nürtingen. Auch Tübingen hat sich gemeinsam auf den Weg gemacht, um seit Januar jeden Mittwoch im Hölderlinturm ein Kapitel aus Peter Härtlings Hölderlin zu lesen. Im Rahmen des Bücherfestes beendete der Autor mit dem letzten Kapitel gestern Abend selbst sein Buch. Doch es wurde nicht nur gelesen, sondern auch viel geredet, über Härtlings Leben, über seine Beziehung zu Hölderlin, seinen Antrieb, sich dieses ungewöhnlichen Künstlerromans zu widmen, über Nähe und Distanz und über das Schreiben an sich. Tief bewegend war das Gespräch mit Peter Härtling, eine Mischung aus ernsten und tragischen Themen, sehr offen, emotional und authentisch wiedergegeben, und aufgelockert durch eingeschobene kurze Anekdoten, die seinen Zuhörern ein Schmunzeln entlockten. Die Lesung mit Peter Härtling macht Lust, sich zusammen mit ihm auf Spurensuche jener „Aufbrecher“, wie Hölderlin oder Fanny Mendelssohn zu machen, und auch Härtlings eigene Fußabdrücke an der ein oder anderen Stelle wiederzufinden.